WM-Beobachtungen IX: Kunterbuntes Allerlei zum Ende der WM

Veröffentlicht: 11. Juli 2010 von A (di bosco) in Fußball
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Sinnierungen über das WM-Feeling, Krake Paul und Aberglauben, unsinnige und sinnige Kommentare und eine wieder entfachte Liebe.

11. Juli; 11:11 Uhr. One game to go, aber wie hier wohl alle wissen leider ohne uns. Die Frustration war noch lange zu spüren, daher danke liebes deutsches Team, dass ihr mit wirklich fast allen Spielern am Ball geblieben seid und eine Medaille errungen habt!

Es lässt sich nicht wegwischen - Spanien steht im Finale

Es lässt sich nicht wegwischen - Spanien steht im Finale

Looking back

Nun zum Rückblick: ich hatte mich versucht so lange wie mögliche aus dem trötenden WM-Hype rauszuhalten, betont mich nicht interessiert für Ballacks Ausfall und Diskussionen um Mann und Mannschaft. Dann kam das erste Spiel. 4:0. Und schon war ich mittendrin in der WM, die dann erstmal auffiel mit mittelmäßigen Spielen und unterirdischen Schiedsrichterleistungen. Dazu im Hintergrund immer ein angenehmer Vuvuzela-Sound, grandios. Man gewann die südafrikanischen Tröten im Westen irgendwann gar so lieb, dass man das nun auf YouTube per Klick zu zahlreichen Videos auf Verlangen hin einschalten kann.  (Ob das nach der WM 2010 wieder verschwinden wird?)

Doch nun auch noch ein Wort im Rückblick zu den Rückblicken im TV. WOW. Super. Was für tolle Bilder uns das ZDF zu „Marching On“ nach jedem WM-Tag bot. Schön. Gibt’s davon eine DVD? Apropos DVD… gibt es die Günther Netzer DVDs auch für uns Normalsterbliche irgendwo zu erwerben? Ich bin besonders an der 3-Disc-DVD-Collection der gesammelten Beleidigungen interessiert! :)

Mit Rückblick auf 2006 und Ausblick auf das Finalspiel Spanien-Niederlande eine Kritik am deutschen Fan. Was mich 2006 wirklich GENERVT hat und auch heute noch NERVT, war der entstehende Italien-Hass. Was soll und sollte das??? Wirklich, ich bekenne mich jetzt und hier: Ich war für Italien im Finale und ich mochte die Mannschaft sogar. Diesmal scheinen die Geister gegenüber Spanien ein wenig besänftigter zu sein. Ihre Überlegenheit im Spiel gegen uns kann niemand widerlegen. Dennoch überwiegt bei Einigen dennoch der Frust, wie auch das erste Bild zeigt. Die meisten Menschen würden ihre Wut allerdings lieber an Prophet Paul auslassen und ihn brutzelnd in der Pfanne hin und her wenden. Womit ich zu einer essentiellen Frage komme, die sich für mich nach dieser WM auftut:

Octopus fatalis

Wie groß ist der psychologische Effekt einer negativen Vorhersage eines octopus vulgaris, eines also wie der Name schon sagt „gewöhnlichen Kraken“ auf die Leistung einer deutschen Mannschaft? Ich glaube wirklich dass das psychologisch gaaanz ungünstig war. Damn you Paul. Und die Medien, die ihn so in publik gemacht haben… und das Internetgezwitscher, das die Nachricht aufgebauscht hat und ihr tausendfaches Gewicht verliehen hat… Schade. Sieg des Aberglaubens in dem Fall. Sieg des Octopus Vulgaris… wobei: gewöhnlich darf man ihn eigentlich nicht mehr nennen. Ich glaube er hat die neue Gattung der octopi fatales begründet. Schön jedenfalls, dass nun neben Knut ein weiteres deutsches Zootier international bekannt ist. Wenn Spanien die WM gewinnt, kann sich Oberhausen auf eine neue Art des Tourismus freuen, zieht ja sogar der spanische Ministerpräsident schon eine Leibgarde für Paul in Erwägung. Wobei seine Sorgen unberechtigt sind, denn Paul eignet sich gar nicht für Kalamari, wie man bei RP-Online nachlesen kann. (Man erfährt Weiteres wissenswertes, wie z.B. dass Paul 9 Gehirne und 3 Herzen hat… ja dann… ich würd sagen die Astrologen können ihre Karten einpacken, die moderne Informationsgesellschaft hat ihren Seher in Krakenform gefunden.)

Mein persönliches Schwarzrotgold

Mein persönliches Schwarzrotgold

Wie das Leben so spielt

Insgesamt finde ich das Thema Aberglaube im WM- Zusammenhang sehr interessant. Ich habe dazu einige Selbstbeobachtungen gemacht und selbst fast schon einen eigenen Paranoia-ähnlichen, ganz individuellen Aberglauben entwickelt. Dieser stützt sich auf folgende Tatsache: Zeige ich Flagge, so verliert die deutsche Mannschaft. Belege? Bitte:

  1. 2006, Italien gegen Deutschland, in Italien gewesen und sich die Flagge auf die Backe gemalt und mit Fähnchen in die Stadt marschiert. Ging nicht gut aus, wenn wir uns zurückerinnern.
  2. Gegen Australien war der Malstift immer noch verschollen. Trikot und Fahne besitze ich auch nicht. Ich muss mir im Café einen abfälligen Kommentar von der Frau am Nachbartisch anhören: „Seid ihr etwa keine Deutschland-Fans?“ Mir egal, Hauptsache 4:0 gewonnen und das unbeflaggt.
  3. Serbien-Deutschland, bei Freunden, jemand hat solch einen Stift dabei und im Begeisterungstaumel ist es passiert und schon sitzt die Flagge auf der Backe: Wir wissen es alle, was dann kam. 1:0 für Serbien.
  4. Nachdem ich Ghana, England und Argentinien vollkommen unbeflaggt genossen habe steht das Halbfinale an. Ich denke, nach den tolle Spielen kann ich es wagen und kombiniere schwarzen Rock mit rotem Oberteil und gelber Zipp-Jacke… dazu noch Paul… und schon ist es passiert. Der Aberglaube siegt. Deutschland steht wieder nicht im Finale.

Böse Sache. ABER! : Auch wenn das Einige von euch nun gewagt finden könnten, ich werde es nächste WM wieder austesten. Ich will nämlich nicht an Aberglauben glauben und muss denn Bann brechen. Und da ich glaube, dass unsere Youngstars noch wachsen und besser werden ist mein Glaube an sie größer als mein Aberglaube. Bester Gegenbeweis, dass das alles nur Zufall ist: Jogis Glückspulli hat ja letztendlich auch nichts gebracht. Armer Kerl. Hätte er ihn doch mal waschen lassen können zwischendurch… Ich meine, Emotionen riechen nicht immer sooo gut und von denen hat der Pulli ja einige mitbekommen. :) Wobei ich nicht ganz verstanden hab, warum der Pulli nicht gewaschen werden durfte? Hatte man Angst dass die Magie abgewaschen wird? Oder vertraute man nicht dem Waschpersonal und befürchtete ein Eingehen? Genug Zeit zum Trocknen hätte er ja eindeutig gehabt zwischen den Spielen, für den Fall, dass es in Südafrika keine Trockner gibt oder die exquisite Wolle des Pullis, dass nicht verkraftet hätte… LOL

Das begegnet einem gern in der Pariser Metro

Das begegnet einem gern in der Pariser Metro

Commenting is fun

Ich merke, es wird hier so ein richtiges rambling on… Aber mei, das Spektakel ging EINEN Monat lang. Da kann man schon einige Worte zu verlieren. Wer mir noch folgen will, bitte, weiter geht’s im Text. Was finde ich noch erwähnenswert? Als Sprachfan hat es mir natürlich die Überschrift „Not Even Klose“ der britischen Sun nach dem Sieg unsrer Mannschaft über Argentinien angetan. Hach, Boulevardzeitungen und ihr Händchen für Überschriften, toll! Das internationale Lob hat mich eh begeistert. Da saß ich gern in der Pariser Metro und las über unser Team und ihr schönes Fußballspiel. Doch nochmal zurück zu den Wortspielen: auch die Bild titelte phonologisch nett mit: „Das neue VIER-Gefühl“. Ganz wahr wurde es leider nicht.

Die BILD setzt auf das Vier-Gefühl

Die BILD setzte auf das Vier-Gefühl

Ein tragischer erwähnenswerter Kommentar, diesmal der eines Freundes vor dem Spanienspiel: „Puyol – der spielt leider besser als er aussieht.“ Ja, leider, das hat er bewiesen und uns dann auch gleich mal ‘nen Ball ins Tor geköpft. Was zeigt, dass es beim Fußball eben nicht auf Aussehen ankommt, sondern auf Spielvermögen. Ist nicht unbedingt jedem klar, es gibt da schließlich so ein paar internationale Fußballstars wo man sich manchmal nicht so ganz sicher ist, für was sie denn nun von einigen Fans vergöttert werden. Ähem… aber ich gebe selbst auch zu, frau freut sich natürlich – quasi als Bonusprogramm – auch über ein paar optische Hingucker. Wobei die allein ein schlechtes Spiel auch nicht retten würden…

Die goldene Himbeere

Zurück zur WM: Die „goldene Himbeere des Fußballs“ haben neben ein paar Schiedsrichtern für ihre Fehlentscheidungen auch ein paar Journalisten für besonders dämliche Fragen verdient. Wie zum Beispiel die an Philipp Lahm nach dem letzten Spiel: „Geht’s Ihnen wirklich so dreckig, dass sie heute nicht spielen konnten?“ Ööööhm. Nein. Ihm ging’s eigentlich ganz gut. Er hatte einfach nur keine Lust mehr… Und das wird er dir jetzt auf die Frage auch so antworten. Aaah… was denkst du? Mal darüber nachgedacht, was du mit der Frage aussagst und ihm unterstellst?  Unglaublich…. Auch immer wieder schön zu hören, in sich logisch geschlossene Aussagen, die unheimlich informationsreich sind. Wie zum Beispiel das gestern noch: Journalist vorm Stadion: „Der Himmel der weinte heute hier, weil es regnete!“ Achso, ja dann… ich wein auch manchmal, weil es regnet.

Wo ich auch gleich zu meiner Lieblingsantwort auf eine Frage nach einem Spiel kommen kann. Spanien-Spiel vorbei, wieder wird Philipp Lahm mit klugen Fragen bombardiert.  Frage: „Haben Sie überhaupt Lust auf das Spiel um Platz Drei.“ Antwort: „Ehrlich gesagt, Nein!“ DITO! Da konnte wohl ein ganzes Land mit einstimmen. War aber dann doch ein schönes Spiel, das um Platz drei. Und somit bin ich nun auch schon fast am Ende angelangt. Bleibt mir noch folgendes zu sagen:

Lob und Liebe für Löws Jungs

Ich liebe die derzeitige deutsche Mannschaft. Sie ist so schön bunt, multikulturell, so wie die Zukunft aussehen sollte. Unser neuer Bundespräsident sprach von einer Regenbogenmannschaft. Juchhe, peace, love and harmony!!! Fehlen nur noch die Frauen im Bunde und die bekennenden Schwulen, dann wär alles paletti! Aber was nicht ist, kann ja noch werden! Wirklich: tolle Mannschaft und dazu ihr überragendes, sehenswertes, spannendes, schönes Fußballspiel.Weiter so!

L'Allemagne gagne toujours á la fin

L'Allemagne gagne toujours à la fin

Und dann will ich es auch noch sagen, obwohl ich, ganz genau wie Feiermaus Netzer „das Wort eigentlich nicht verwende“: ich bin stolz auf Eure Leistung Jungs. Merci beaucoup, arigatou gozaimasu. Vielen Dank für die tolle WM!

Kommentare
  1. Klaus Füger sagt:

    Bester Kommentar zur WM, den ich gelesen habe
    – nee, das war nicht der einzige, den ich gelesen habe …
    Viele liebe Grüße, Paul äh Papa

  2. 2010sdafrika sagt:

    Die deutsche Auswahl unter Jogi Löw kann auf jeden Fall auf sich stolz sein! Ein Sieg um Platz 3 ist ebenso respektabel, wie ein Einzug ins Finale. Für sämtliche Infos zur WM und Südafrika siehe das Südafrika-Portal: http://2010sdafrika.wordpress.com/

  3. […] WM-Beobachtungen IX: Kunterbuntes Allerlei zum Ende der WM […]

  4. Karl Eichberger sagt:

    Ja, der Kommentar dürfte auch gerne in der Frankfurter Rundschau oder in der Süddeutschen stehen. Ich fand es auch Klasse, dass regelmäßig Spieler von der Reservebank geholt wurden – da dürfte sich die deutsche Wirtschaft mal ein Scheibchen abschneiden, wir haben genügend Jugendliche die auf der gesellschaftlichen Reservebank sitzen und nicht in unserer Gesellschaft mitspielen dürfen! Kommentar zu Netzer: ich bin froh, dass er jetzt aufhört (er hat mich in der Halbzeit des Halbfinal-Spiels gegen Spanien mit seinem Blabla in den Schlaf befördert)! Gewinnen soll immer die bessere Mannschaft – diesmal leider Spanien, aber die Leistung der Deutschen Mannschaft (obwohl das ja eher eine Weltmannschaft war) war Spitze! Viele Grüße Karl

  5. Gerti Fluhr-Meyer sagt:

    Ein sehr guter Kommentar, der mir aus dem Herzen spricht … . Da ich sonst ehrlicherweise den Sportteil nur überfliege, habe ich einiges für mich Interessantes und Neues erfahren, zum Beispiel die Sache mit dem blauen Dressman-Pullover (wie scheußlich …) und dass sich diese eklige Krake nicht für Kalamari eignet (schade, schade!), 9 Gehirne und drei Herzen hat – Wow!
    Weiter so und herzliche Grüße
    Gerti

  6. Bernd Füger sagt:

    Anika, gratuliere! grosse Klase, besser als 3 mal neues aus er Anstalt!

  7. A (di bosco) sagt:

    Vielen Dank, diese Kommentare freuen mich wirklich sehr! :)

  8. Gerti sagt:

    Was ist mit der EM? Oder ist es tatsächlich so, wie ich glaube, dass die ganz großen Zeiten des kollektiven Fußball-Hypes vorbei sind? Auf alle Fälle, gibt es keinen Glückspulli des Bundestrainers mehr. Aber dafür jubelt er jetzt wie Kloppo. Hat er einen Extra-Kurs dafür besucht oder wo sonst hat er gelernt, so aus sich herauszugehen? Auch Schwarz-Rot-Gold hält sich – zumindest in München – in Grenzen. Ich überlege glatt, mir Rückspiegelschoner in den Deutschlandfarben zuzulegen und für ein bisschen Abhilfe zu sorgen. Aber Spaß beiseite – ich merke beim so Dahinschreiben doch: Stoff für Kommentare gäbe es genug…

    Herzliche Grüße

    Gerti

    • A (di bosco) sagt:

      Ja, unser Blog ist nicht nur in Sachen Fußball in letzter Zeit ein bisschen „eingeschlafen“. Das tut mir auch des Öfteren leid. Aber noch ist die EM ja nicht vorbei!! :) Auf jeden Fall schön dass du uns noch folgst und „vorbei schaust“. Liebe Grüße!

  9. Gerti sagt:

    Ja, ja ich schaue schon manchmal vorbei und heute abend „schaue“ ich das EM-Finale. Wahrscheinlich alleine, da der Fußballexperte in der Familie behauptet, die spanische Taktik nicht ertragen zu können. Ich hoffe, Dir geht es gut! Und … man muss ja nicht ständig bloggen …

    Herzliche Grüße

    Gerti

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