Lakritzschnecke:
Der Schlusspfiff dröhnt noch in unseren Ohren, doch um uns herum dröhnt nichts außer den hummelnden Vuvuzelas aus Port Elizabeth. Sonst nichts. Keine begeisterten Fangesänge, keine „Wir sind die Größten“-Feiereien, kein hupender Autokorso, der sich wie am vergangenen Sonntag durch die Stadt schlängeln könnte. Frust und Verzweiflung sind zu spüren, hier wie dort und in allen Teilen des erwartungsvollen eigenen Landes, erste Tränen fließen, manch einer wischt sich die verschmierte aufgemalte Deutschlandflagge von der Wange und wirft wütend den Fanschal zu Boden, welch furchtbares Spiel. Doch lasst uns auch die Magie dieser Niederlage erkennen: Jedes Spiel zu gewinnen tut weder Mannschaft noch Fans gut. Stellt euch vor, wir hätten dieses Spiel gewonnen, tausende Autos wären erneut auf die Straßen gefahren, Hupkonzert, tausende Menschen wären erneut ausgerastet, Freudentaumel, und all das schon in der Vorrunde: Wie öde! Aber nun, die Chance, die Spannung, das Zittern auf unserer Seite: Wie erfrischend und geballt wird die neu erstehende Freude und Euphorie erst sein, wenn wir, mit dieser Niederlage im Hinterkopf, gegen Ghana gewinnen und in die nächste Runde einziehen werden… Der Auftaktsieg gegen Australien war schön – doch erst nach dem Wiederaufstehen nach einer Niederlage wie der heutigen haben wir wirklich Grund, stolz auf unsere Mannschaft zu sein und mit hupenden Autos die Innenstädte Deutschlands lahmzulegen.
Und die A. mischt sich hier einfach mal auch noch ein:
Während der gemeine Deutsche darüber nachsann, ob der spanische Schiedsrichter eventuell Schweiz und Deutschland nicht auseinanderhalten kann, brach beim öffentlichen Fernsehen im Netz ersteinmal der LiveStream zusammen. Das kann durchaus als mediale Metapher gesehen werden, das Nicht-Bild vom Spiel. Schwarzer Bildschirm, verzweifeltes Zusammenschlagen der Hände überm Kopf. Da wird sich heute der Sehende und Nicht-zum-Sehen-Befähigte sehr ähnlich gesehen haben. Gerade in der zweiten Hälfte lagen Verzweiflung und Hoffnung so nah beieinander. Als der Raucher sagte: „Ich geh dann mal rauchen!“, wusste man, er tut das nicht nur um seine Sucht zu befriedigen. Er ging, 1. weil er sich nicht die 100. vertanene Chance antun wollte und 2. weil er insgeheim hoffte, dass genau dann, wenn er draußen steht, eine Chance verwertet wird. Die Rechnung ging nicht auf. Und so bleibt es schön spannend, ein Auf und Ab, eine Auskostung aller Aspekte dieses Spiels.